Die Stoffe im Mittelalter

Eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Europas während des Mittelalters neben Venedig war Nordwesteuropa. Für die oberdeutschen Kaufleute, insbesondere die Leinen- und Barchenthändler Schwabens, war die Donau der wichtigste Handelsweg nach dem Osten. Nach dem Süden gelangte man über die Tiroler Pässe nach Venedig (siehe Via Claudia Augusta). Bereits im 13. Jahrhundert wurde in Augsburg auch Baumwolle (vermutlich von den Arabern in Spanien und Sizilien ) verarbeitet. Nach dem venezianischen Geschichtsschreiber Marino soll zu Anfang des 14. Jhs. die Baumwolle in Venedig eingeführt worden sein, und sich von dort bald über die benachbarten italienischen Städte und später nach der Schweiz und nach Augsburg verbreitet haben.

Baumwolle

Die Baumwolle ist kein einheimisches Material. Sie musste über einen langen Weg zunächst aus dem Orient, meist über Italien und die Schweiz, eingeführt werden. Daher spielte sie als Rohmaterial erst ab dem 14. Jahrhundert eine gewisse Rolle in Mitteleuropa. Mit diesem Rohstoff entwickelte sich die Heimindustrie, da sie keiner Zunftordnung unterlag. Händler importierten die Baumwolle auf ihre Kosten, wie z.B. Johannes Fugger aus Augsburg. Er war ein Leinweber, der vom Land in die Stadt gekommen war und daher der Zunft nicht beitreten konnte. So wagte er als erster in Deutschland um 1370 den Einkauf von größeren Mengen Rohbaumwolle. Er ließ diese in Lohnarbeit verspinnen (Entstehung des Verlagswesens!) und zu hochwertigem Barchent verweben. Das Verkaufen der Stoffe besorgte er dann selbst. Die Familie Fugger wurde damit reich, aber auch Venedig profitierte entsprechend. Bis ins 17. Jahrhundert führte Augsburg die industrielle Massenproduktion von Baumwollstoffen an, danach war es die flandrische und englische Baumwollindustrie mit eigenen Transportwegen und Häfen.


Leinen

Es ist bekannt, dass unter anderem in Ägypten, Mesopotamien und Phönizien bereits vor 6000 bis 7000 Jahren Leinen systematisch verarbeitet wurde. Ägyptische Mumien sind in Leinenstreifen gehüllt. Möglicherweise existierte die Leinenverarbeitung schon vor 10 000 Jahren. Von der griechischen und römischen Antike bis ins europäische Mittelalter war Leinen neben Wolle das Material für Kleidung. Seine Blütezeit hatte das Leinen im vorindustriellen Europa. Als Baumwolle noch nicht in großen Mengen importiert wurde, war Leinen (neben wenigen Ausnahmen) die einzige pflanzliche Faser. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren 18 % der verarbeiteten Fasern aus Flachs und 78 % aus Wolle. Im Mittelalter wurde Leinen (im Gegensatz zu Wolle) durch die schmutzabweisende Eigenschaft bevorzugt für körpernahe Verwendung eingesetzt, auf Grund seiner Stärke auch für Stoffpanzer. Da es schwer färbbar war, vorwiegend in blassen Tönen; deckende und dunkle Töne waren teuer. Leinen wurde lange Zeit nur in Handarbeit verarbeitet, später kamen auch industrielle Methoden hinzu. Bis ins 20. Jahrhundert wurde handgesponnenes, aber auch maschinell versponnenes Garn in Heimarbeit auf Handwebstühlen gewebt. Verarbeitet wurde das Leinen hauptsächlich in Irland, Holland, Westfalen, Sachsen, Schlesien und Böhmen.


Wolle

Schafwolle dürfte die älteste Bekleidungsfaser für die Menschen sein. Niemand kann ein exaktes Datum angeben, wann der Mensch darauf gekommen ist, Schafwolle für seine Bekleidung einzusetzen. Sicher ist nur, dass schon aus der Jungsteinzeit (3000 bis 2000 vor Christus) Felszeichnungen vorhanden sind, die Schafe darstellen. Nichtgeschorene Wildschafe wechseln jährlich ihr Fell. Sie streifen sich die losen Haare an harten Gegenständen ( z.B. Bäumen) ab. Dabei entstehen an diesen Gegenständen Wollstreifen, die sich, durch das sich ständige Wiederholung des Abstreifens, zu langen Streifen zusammendrehen können. Liegt hierin die Idee unserer Vorfahren die Schafwolle zu verspinnen?
Wolle verfügt über ein hohes Wärmerückhaltevermögen, da die Eiweißsubstanz selbst ein schlechter Wärmeleiter ist und die Faser, bedingt durch Kräuselung und Schuppenschicht, einen sehr hohen Lufteinschluss gewährleistet. Schafwolle kann bis zu 30% ihres Gewichtes an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Sie ist sehr luftdurchlässig, bauschfähig und besonders atmungsaktiv durch die hohe Elastizität (Rückstellvermögen) der gekräuselten Faser. sie verfügt über eine hohe Absorptionswirkung und gilt als raumluftverbessernd. Schafwolle hat einen natürlichen Selbstreinigungseffekt, der aus der besonderen Faserstruktur resultiert. Das Innere des Haares besteht aus zwei verschiedenen Arten von Zellen. Diese leicht verzwirnten Hälften verhalten sich gegenüber Feuchtigkeit unterschiedlich. Eine Zellart quillt stärker als die andere. Da beide fest miteinander verbunden sind, sind sie ständig in Bewegung. Die Wolle hat gute Trocknungseigenschaften, da die natürliche Fettschicht Lanolin auf der Oberfläche der Faser eine schnelle Verdunstung gewährleistet. In Nordeuropa stammen die ersten Wollfunde aus der Bronzezeit (ca 1500 v. Chr.). In der anschießenden Eisenzeit wurde die Woll - Schere erfunden. Vorher wurden Schafe mit einem gebogenen Messer geschoren. Im Mittelalter erlebte dann die Wollproduktion eine ungeheuere Blüte. Karl der Große lies Wollmanufakturen errichten und förderte die Produktion.


Seide

Seide ist eine feine Textilfaser, die aus den Kokons der Seidenraupe, der Larve des Seidenspinners, gewonnen wird. Sie ist die einzige in der Natur vorkommende textile Endlos-Faser aus Eiweiß. Sie kommt ursprünglich vermutlich aus China und war eine wichtige Handelsware, die über die Seidenstraße nach Europa transportiert wurde. Neben China, wo auch heute noch der Hauptanteil produziert wird, sind Japan und Indien weitere wichtige Erzeugerländer, in denen der Seidenbau betrieben wird. Seide hat eine geringe Dichte, so ist sie leicht, bequem und formbeständig. Sie isoliert sehr gut, ist im Winter warm und im Sommer kühl. Seide kann sehr gut Farbstoffe aufnehmen, hat einen "trockenen" Griff und - je nach Herstellungsart des Stoffes - hat sie einen besonders schimmernden Glanz.

Verschiedene Arten von Seide:
Bouretteseide (Grobspinnverfahren aus kurzen Faserstücken)
Chappe- oder Schappeseide (aus Seidenabfällen)
Dupionseide (typische Unregelmäßigkeiten der Fäden)
Fagaraseide (Seide des Atlasspinners)
Haspelseide (von abgewickelten Endlosfäden)
Maulbeerseide (Seide des Maulbeerspinners)
Noileseide
Soupleseide (durch Seifenlauge teilweise entbastet)
Tussahseide (Seide des Japanischer Eichenseidenspinners)
Wildseide (von verschiedenen Seidenspinnern)


Nessel

Stimmt es, dass Brennnesseln als Rohstoff für Textilien verwendet werden? Auch wenn es hautunfreundlich klingt, stimmt es: Aus Brennnesseln können Textilien hergestellt werden. Was nicht stimmt, ist der vorschnelle Schluss, dass Brennnessel-Kleidung kratzt, juckt und brennt. Im Gegenteil: Glatter als Leinen und weicher als Seide sollen Stoffe aus der eher unbeliebten Pflanze sein.
Die Idee, Brennnesseln als Rohstoff für Textilien zu verwenden, ist alt: Bereits im Mittelalter wusste man, dass in der Rinde der Pflanzenstängel Faserbestandteile stecken, die sich für die Garnherstellung eignen. Die langen Bastfasern wurden durch Kochen in Lauge isoliert und zu so genanntem Nesseltuch verarbeitet. Im 19. Jahrhundert verdrängte die Baumwolle den Rohstoff Brennnessel. In Kriegszeiten war Baumwolle sehr knapp, deshalb wurde die Brennnessel vorübergehend wiederentdeckt und galt als das Leinen der armen Leute. Außerdem fertigte man Uniformen daraus an.
Heute ist das Gewächs mit den Juckreiz auslösenden Härchen allenfalls noch als Heilpflanze bekannt. Außerdem schätzen Feinschmecker die jungen Triebe als spinatähnliches Wildgemüse. Dass Brennnesseln auch als nachwachsender Rohstoff für textile Gewebe in Frage kommen, ist eher unbekannt.
Dabei ist die vielerorts als lästiges Unkraut bekämpfte Pflanze ein äußerst pflegeleichtes und damit wirtschaftliches Gewächs: Ist sie erst einmal angewachsen, kann sie bis zu 20 Jahre lang ohne ständige Neuanpflanzung geerntet werden. Sie ist anspruchslos und wächst auf fast allen Böden. Auch auf Pflanzenschutzmittel kann verzichtet werden. Denn zum einen schützt sie sich selbst vor unliebsamen Gästen durch die in ihren Brennhaaren enthaltene Säure, zum anderen leben Schädlinge und Nützlinge, die auf ihrem Grün zu Hause sind, in einem ausgewogenen Verhältnis.
Im Gegensatz zur Baumwolle liefert sie zudem eine gleich bleibende Qualität. Wichtig ist der Stamm der Pflanze, denn der enthält die meisten Fasern. Brennnesselfasern sind lang und reißfest und daher sehr gut geeignet, um daraus strapazierfähige und langlebige Kleidung herzustellen.
Ob eines schönen Tages aus Brennnesselstoff Massenware wird, bleibt abzuwarten. Denn noch ist der Aufbereitungsprozess - der Weg von der Nessel zum Stoff - relativ aufwendig. Viele Textilforscher sehen die Zukunft der Brennnessel deshalb eher als Nischenprodukt, in etwa vergleichbar mit Hanf.


Hanf

Hanf (Cannabis sativa) hat wie kaum eine andere Pflanze Geschichte geschrieben, Kultur geschaffen und technischen Fortschritt eingeleitet. Er wird seit ungefähr 10 000 Jahren genutzt und seit mindestens 3 000 Jahren in allen Teilen der Welt angebaut. In China wurden vor fast 5000 Jahren die ersten Textilien aus Hanffasern gewebt und vor über 2000 Jahren das erste Papier aus Hanffasern geschöpft. weiblicher Hanfblütenstand Über Jahrtausende gewann man aus Hanf wirksame Medizin, gesunde Nahrung, wertvolles Öl für Farben und Lacke sowie Fasern für alle Zwecke. Beispielsweise benutzten Gutenberg für den Buchdruck und Rembrandt für seine Ölgemälde Hanfprodukte; denn aus Hanf wurde sowohl zähes, dauerhaftes Papier als auch Farben hergestellt. Die Seefahrt mit den großen Handels- und Entdeckungsreisen mit Segelschiffen wären ohne Hanf nicht möglich gewesen. Taue, Seile, Schnüre, Garne, Segeltuch und die erste Levi's Blue-Jeans, alles was reißfest und geschmeidig zugleich sein sollte, konnte in dieser Qualität nur aus Hanffasern gefertigt werden.
Die Pflanze gedeiht in vielen Klimazonen der Erde und kommt ohne chemischen Pflanzenschutz aus. Sie ist höchst produktiv und liefert vielseitig genutzte Rohstoffe mit einer sehr guten Ökobilanz. Und dennoch konnte Hanf, der noch bis ins 20. Jahrhundert hinein unersetzlich schien, in der westlichen Welt verboten, verteufelt und nahezu vergessen werden.
Warum erregte die Pflanze plötzlich soviel Gegenwehr?


Quellen: Wikipedia und Eigene


Die Stoffe im Mittelalter